Vitamin D hat jahrelang eher ein Schattendasein gefristet. In den letzten Jahren wurde neben der bekannten zentralen Bedeutung im Kalzium- und Knochenstoffwechsel eine Reihe von Zusammenhängen zu diversen Erkrankungen aufgedeckt. Es stellt sich die Frage, ob die Versorgung mit Vitamin D ausreichend ist oder ob für bestimmte Gruppen ein Supplementierungsbedarf besteht.
Unter Vitamin D wird eine Gruppe von verschiedenen fettlöslichen Vitaminen zusammengefasst, die mit der Regulierung des Kalziumhaushalts und der Mineralisation der Knochen in Verbindung stehen (Calciferole). Vor allem das Vitamin D2 (Ergocalciferol) und D3 (Cholecalciferol) sind für den Menschen wichtig. Beide sind streng genommen keine Vitamine, sonder eher Vorläufer von Hormonen.
Vitamin D wird einerseits über die Nahrung zugeführt. Andererseits wird Vitamin D aus einer in der Haut vorkommenden Vorstufe (7-Dehydrocholesterol) unter Einwirkung der UV-B-Strahlen der Sonne gebildet. Die Vitamin D-Produktion ist am größten, wenn die UV-B-Strahlen direkt auf die Haut fallen. So können an einem schönen Sonnentag bis zu 20.000 IE Vitamin D entstehen (40 IE entsprechen 1 Mikrogramm (µg) Vitamin D3). Alles was sich zwischen den strahlenden Himmel und die Haut schiebt (Wolken, Schatten, Fenster, Sonnencreme, Kleidung) kann die Vitamin D-Bildung vermindern.
Vitamin D wird in mehreren Umwandlungsschritten in Leber und Niere in die biologisch aktive Form (1,25-Dihydroxyvitamin-D3 = Kalzitriol) umgewandelt. Diese Speicherform (Halbwertszeit etwa 19 Tage) hilft die großen Schwankungen der Vitamin D-Produktion bei An- beziehungsweise Abwesenheit von Sonnenlicht auszugleichen.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfahl bisher für Senioren eine Zufuhr von mindestens 10 µg Vitamin D (= 400 IE) pro Tag, dabei handelt es sich um eine Erhaltungsdosis. Diese Menge reicht jedoch nicht aus, eine bestehende Mangelsituation auszugleichen, insbesondere bei älteren Menschen. Die therapeutische Zufuhr liegt zwischen 400 und 2.000 IE.
Seit Dezember 2011 sind aufgrund einer Neubewertung der wissenschaftlichen Datenlage zur Vitamin D-Versorgung neue Referenzwerte für Vitamin D veröffentlicht worden. Demnach hat die DGE den Schätzwert für eine angemessene Vitamin D-Zufuhr bei fehlender endogener Synthese für Ältere Menschen auf 20 µg neu festgelegt.
Zur Vitamin D-Versorgung tragen einige fettreiche Lebensmitteln bei, wie zum Beispiel Hering, Makrele, Lachs, Thunfisch, Rotbarsch, Leber, Eigelb, Butter, Sahne und angereicherte Margarine, sowie auch Champignons, Steinpilze und Pfifferlinge. Über die Nahrung können bis zu 20 Prozent des täglichen Bedarfs gedeckt werden.
Aus der Nahrung und über die Sonne wird dem Körper Cholecalciferol geliefert. Zunächst findet die Umwandlung zu 25-Hydroxy-Vitamin D (25-OH-D) statt, das im Körper zirkuliert. In einem zweiten Schritt wird dieses bei Bedarf in die aktive, hormonell wirksame Form 1,25 Dihydroxy-Vitamin D3 (Calcitriol) umgewandelt. Dieser Spiegel schwankt stark und lässt kaum Rückschlüsse auf die Versorgung mit Vitamin D zu. Bei einem Bluttest wird daher in der Regel der Wert für 25-OH-D im Serum bestimmt.
Die Laborbefunde können in unterschiedlichen Einheiten angegeben werden. Es ist deshalb immer darauf zu achten, ob die Ergebnisse in Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) beziehungsweise in Mikrogramm pro Liter (µg/l) oder in Nanomol pro Liter (nmol/l angegeben werden.
Der Laborbefund zeigt, ob der Versorgungsstatus als ausreichend (adäquat), unzureichend (suboptimal) oder als mangelhaft bezeichnet werden muss.
Viele Labors bezeichnen Werte unter 20 ng/ml als leichten Vitamin D-Mangel und Werte unter 12 ng/ml als schweren Mangel.
Diese Einschätzung gilt jedoch vielfach als überholt. So haben in den letzten Jahren viele wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass Werte von mindestens 30 ng/ml erreicht werden müssen, um diversen Gesundheitsrisiken zu entgehen, manche setzen die Untergrenze einer optimalen Versorgung gar bei 40 ng/ml an. Nach der am häufigsten vertretenen Expertenmeinung der jüngsten Zeit wären Werte im Bereich zwischen 40 und 80 ng/ml als optimal zu bezeichnen.
Knochenexperten fordern, der Vitamin D-Spiegel im Blut sollte insbesondere bei Menschen jenseits des 60. Lebensjahres bei mindestens 30 ng/ml liegen.
Vitamin D hat zusammen mit Kalzium einen entscheidenden Einfluss auf den Knochenstoffwechsel. Es
Vitamin D-Mangel führt zu einer steigenden Zahl von Hüftgelenk- und Oberschenkelhalsfrakturen vor allem bei Frauen ab dem 60. Lebensjahr.
Eine Mangelversorgung führt zu einer Mineralisationsstörung der Knochen, es wird nicht genügend Kalzium eingebaut, die Knochenmasse ist verringert.
Einer neuen Untersuchung zufolge führt der Mangel an Vitamin D zudem dazu, dass mineralisiertes Knochengewebe, das den Knochen umgibt, keine schützende Wirkung entfalten kann. Der Knochen altert vorzeitig und wird weniger widerstandsfähig gegen Brüche.
Demnach reduziert ein Mangel an Vitamin D nicht nur die Knochendichte, sondern wirkt sich auch auf die Knochenqualität aus.
Daneben hat Vitamin D auch einen günstigen Einfluss auf die Muskulatur. Es besetzt Rezeptoren in den Muskelzellen, was durch biochemische Vorgänge bei der Kontraktion der Muskelfasern hilft, das Risiko von Stürzen bei Älteren zu verringern.
Weitere Vorteile einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D sind unter anderem:
Einer britischen Studie zufolge ist eine Unterversorgung mit Vitamin D auch häufig mit einer krankhaft nachlassenden Gehirnleistung im Alter verbunden. Zudem leiden ältere Menschen mit Vitamin D-Mangel häufiger unter kognitiven Beeinträchtigungen, Angst und Depressionen.
Im Hinblick auf die Datenlage zur fraktursenkenden Wirkung von Kalzium und/oder Vitamin D kann gesagt werden:
Bei Erwachsenen wird die Vitamin D-Mangelkrankheit als Osteomalazie bezeichnet. Bei älteren Menschen werden häufig Mischbilder von Osteomalazie (Knochenerweichung mit Skelettverformung) und Osteoporose (Knochenschwund) beobachtet.
In vielen Untersuchungen zeigte sich, dass eine Erhöhung des Vitamin D-Spiegels, zum Beispiel durch Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel), häufig eine Verbesserung der oben genannten Faktoren mit sich brachte. Der positive Effekt ist eine Steigerung der Funktionalität bei älteren Menschen und dadurch eine bessere Option für den Verlauf von Erkrankungen und möglicherweise kürzere Verweildauern in Krankenhäusern. Gerade ältere Menschen, die unter einer Mangelernährung leiden, haben auch häufiger verschiedene Krankheiten gleichzeitig.
Die Wirkung von Vitamin D ist aber auch von einer Reihe anderer Nährstoffe abhängig, die wie Magnesium und Vitamin K2 als Kofaktoren im Vitamin D-Stoffwechsel eine nicht unerhebliche Bedeutung haben.
In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass der Vitamin D-Spiegel in großen Teilen der Bevölkerung unter dem empfohlenen Wert von mindestens 30 ng/ml liegt und mit höherem Alter weiter absinkt. Besonders schlecht ist die Vitamin D-Versorgung bei älteren Menschen, insbesondere älteren Frauen. Bei Frauen in den Wechseljahren (Klimakterium) liegt nach der Hormonumstellung des Körpers oftmals ein Mangel an Vitamin D vor. Sehr niedrige Werte von Vitamin D wurden insbesondere bei Altenheimbewohnern gefunden.
In den sechs Monaten von Herbstbeginn bis Frühlingsbeginn kommt in Deutschland eine Vitamin D-Bildung auf natürlichen Wege nur unzureichend zustande. So sind in den Wintermonaten bis zu 80 Prozent der Bevölkerung mit Vitamin D unterversorgt, dabei bestehen jedoch je nach Breitengrad große Unterschiede (siehe auch Sonnenlicht und Vitamin D).
Mit zunehmendem Alter nimmt die Vitamin D-Synthesefähigkeit der Haut ab. Zudem kommt es zu einem eingeschränkten Umbau des Vitamin D in die aktive Form. So produzieren ältere Personen etwa 4 mal weniger hauteigenes Vitamin D. Im Alter von 70 Jahren hat sich die Kapazität der Haut zur Vitamin D-Synthese um etwa 75 Prozent reduziert. Der Grund ist die Hautbeschaffenheit selbst, aber auch die Tatsache, dass sich die Menge des Ausgangsstoffs 7-Dehydrocholesterol (Vorstufe von Vitamin D) in den oberen Hautschichten im Alter drastisch vermindert. Während in jüngeren Jahren ein gelegentliches Sonnenbad ausreicht, um 80 bis 100 Prozent des Vitamin D-Bedarfs abzudecken, können ältere Menschen trotz häufiger Sonnenbestrahlung nur noch Bruchteile des benötigten Vitamin D in der Haut produzieren (Altern reduziert die Produktion des Provitamin D in der Epidermis drastisch).
Weitere Faktoren können die Produktion von Vitamin D3 in der Haut beeinflussen:
Laut Nationaler Verzehrstudie erreichen 82 Prozent der Männer und 91 Prozent der Frauen nicht die empfohlene Vitamin D-Zufuhr.
Vielfach kommt es im Alter zu einer geringeren Aufnahme Vitamin D - haltiger Lebensmittel. Bei Mangelernährten ist eine verminderte Vitamin D-Aufnahme auch durch einen geringen allgemeinen Nahrungsmittelverzehr bedingt.
Immobilität, Behinderung sowie kognitive Einschränkungen führen häufig zu einer verminderten Sonnenexposition und damit zu stärkerem Vitamin D-Mangel. Insbesondere Altenheimbewohner, aber auch zuhause gepflegte, bettlägerige Senioren sind davon besonders betroffen.
Weitere Ursachen für einen Vitamin D-Mangel sind unter anderem: chronische Niereninsuffizienz, Leberzirrhose und Zustand nach Gastrektomie.
Aufgrund der wichtigen Rolle des Vitamin D im menschlichen Stoffwechsel sollte eine Bestimmung und Verlaufskontrolle des Vitamin D-Spiegels und eine Supplementierung mit Nahrungsergänzungsmitteln insbesondere bei Risikogruppen wie älteren Menschen durchaus in Erwägung gezogen werden.
Die Untersuchung von Vitamin D setzt allerdings in den meisten Fällen eine Begründung der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall voraus. Eine Blutuntersuchung kann auch direkt bei Laborärzten für etwa 35 EURO als sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGel) in Auftrag gegeben werden (auf eigene Kosten).
Kann die empfohlene Tagesdosis von 20 µg Vitamin D bei Senioren durch eine natürliche Ernährung (eine Menge von 5 µg Vitamin D ist beispielsweise in 250 g Champignons enthalten, 100 g Thunfisch liefern 5 µg, 100 g Hering sogar 23 µg des lebenswichtigen Vitamins) nicht erreicht werden, und ist eine ausreichende Sonnenexposition nicht sichergestellt, sollten geeignete Nahrungsergänzungsmittel oder spezielle Vitamin D-Präparate eingesetzt werden. Neben frei verkäuflichen Vitamin D-Präparaten (in der Regel in einer Tagesdosis von 400 IE) gibt es in Apotheken höher dosierte, verschreibungspflichtige und sehr hoch dosierte Produkte. Die Einnahme sollte jedoch nur auf der Basis der individuellen Werte und nach einer medizinischen Beratung erfolgen.
Im Hinblick auf die schädliche Wirkung zu hoher Vitamin D-Mengen (Toxizität) gibt es von den Experten keine einheitlichen Angaben. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für Erwachsene eine tolerierbare Gesamtzufuhrmenge pro Tag von 100 µg abgeleitet (4000 IE). Die amerikanische Endokrinologische Gesellschaft hält sogar eine Zufuhr von bis zu 250 µg Vitamin D3 pro Tag (10000 IE) beim gesunden Erwachsenen für unbedenklich.
Zur Osteoporose- und Frakturprophylaxe empfiehlt die Leitlinie des Dachverbands Osteologie (DVO) die tägliche orale Einnahme von 800 bis 2000 IE Vitamin D3 (zusammen mit 1000 mg Kalzium pro Tag, wenn eine Osteoporose vorliegt), wenn eine mindestens 30-minütige Sonnenlichtexposition von zum Beispiel Armen und Gesicht täglich nicht gewährleistet ist.
Stand in der Vergangenheit die Warnung vor der negativen Auswirkung der Sonnenbestrahlung im Vordergrund, so findet in jüngster Zeit ein Umdenken statt und eine angemessene Sonnenexposition wird als ein wichtiges und geeignetes Mittel zur Sicherstellung einer ausreichenden Vitamin D-Versorgung anerkannt und empfohlen.
Vitamin D ist am Kalzium- und Knochenstoffwechsel, sowie an zahlreichen weiteren Stoffwechselvorgängen beteiligt, die für die Gesunderhaltung des Organismus von entscheidender Bedeutung sind.
Die Versorgung mit Vitamin D in Deutschland ist insbesondere bei älteren Menschen unzureichend.
Aus präventivmedizinischer Sicht dürften große Teile der Bevölkerung bei nicht angemessener Sonnenexposition und Nahrungsauswahl von einer ergänzenden Vitaminzufuhr von 20 bis 50 µg pro Tag erheblich profitieren.